Auch zuletzt blieb er sich treu. Er, der der sich immer für eine Ethik und Moral des Todes eingesetzt hatte, blieb, als sein Tod nahte, „zu Hause“ im Vatikan und ging nicht in die Gemelli-Klinik, um sich dort gegen das Sterben zu stemmen.
So wie sein Ende war, so war auch seine 26-jährige Amtszeit als Oberhaupt der katholischen Kirche.
Papst Johannes Paul II. war ein widerständiger Mann, der sein Leben, seine Verkündigung und seine Botschaft zu einer Einheit machte. Dies bekamen bereits die Machthaber im kommunistischen Polen während seiner Zeit als Priester und Erzbischof von Krakau zu spüren, auch der Kreml musste sich zurückhalten, als die polnische Solidarnosc mit Rückendeckung des polnischen Pontifex das Land aus dem Griff der damaligen Sowjetunion befreite.
Er verstand sein Amt um vieles politischer als seine Vorgänger. Gegen den Irakkrieg des amerikanischen Präsidenten bezog er in harschen Worten Stellung, ein Grundanliegen war ihm in Zeiten von Terrorismus und Radikalisierung im Namen der Religion der interreligiöse Dialog. Er beließ es dabei aber nicht nur, wie so oft, bei Worten, sondern betrat als erstes katholisches Oberhaupt Synagogen und Moscheen, bat bei den Moslems um Verzeihung für die Kreuzzüge und räumte Versäumnisse der Kirche während der Zeit der Judenverfolgungen ein.
Obwohl er mit seinen 100 Pastoralreisen in 130 Ländern eine weltoffene Kirche zeigte, verstand er sich auch als Verteidiger katholischer Prinzipien. Er bestärkte den Zölibat, lehnte ein Priestertum der Frau kategorisch ab und wandte sich gegen Homosexualität, Verhütung und Abtreibung.
58 Jahre alt war Karol Woityla, als er am 16. Oktober 1978 vom Kardinalskollegium zum 264. Papst und zum ersten Slawen in der Nachfolge Petri gewählt wurde und sich fortan den Namen Johannes Paul II. gab. Geboren wurde der Heilige Vater am 18. Mai 1920 in Wadowice bei Krakau als Sohn eines Schneiders. Mit acht starb seine Mutter, sein Vater verlor er 21-jährig als Theologiestudent. Als die Nazis 1939 in Polen einfielen, zwangen sie ihn, sein Studium zu unterbrechen und machten ihn stattdessen zu einem ihrer Zwangarbeiter. 1946 erhielt er die Priesterweihe. Als er mit 43 Jahren 1964 Erzbischof von Krakau wurde, war er Theologieprofessor. 192 bis 1965 nahm er am Zweiten Vatikanischen Konzil teil und beeinflusste es maßgeblich. 1967 machte ihn Papst Paul VI. zum jüngsten Kardinal seiner Zeit. Als er 1978 zum Papst gewählt wurde, übernahm er damit die Nachfolge des nur 33 Tage amtierenden Johannes Paul I. und wurde damit zum ersten Nicht-Italiener auf dem Apostolischen Stuhl seit mehr als viereinhalb Jahrhunderten.
Unbestritten ist, dass mit Papst Johannes Paul II. ein Mann die Welt verlassen hat, der die katholische Kirche geprägt hat wie wenige vor ihm. Sein letzter großer Einsatz gehörte den Behinderten, Kranken, Schwachen und Sterbenden. Er erinnerte die Menschen daran, das Alter und Sterben genauso zum Leben gehören wie alle anderen Phasen des Daseins. Er propagierte den guten Tod des Mittelalters: das bewusste nicht durch Schmerzmittel und Maschinen vernebelte Hinübergehen in das Reich Gottes. In seinem eigenen Ende machte er sichtbar, was er unter diesen Worten verstand. Papst Johannes Paul II sah alles Irdische als vergänglich, Tod und Leben eingeschlossen.
Jürgen Eckert